Interview mit Eberhard Brezski – Autor von "Mezzanine-Kapital für den Mittelstand"

Basel II hat die traditionellen Finanzierungsregeln für den Mittelstand aus den Angeln gehoben. Gefragt sind jetzt Alternativen wie das Mezzanine-Kapital, eine Zwischenform von Eigen- und Fremdkapital.

Managementbuch.de: Wie würden Sie einem Unternehmer, der mit Mezzanine-Produkten noch nicht vertraut ist, in wenigen Worten die Vorzüge dieser Finanzierungsform erläutern?

Eberhard Brezski: Als vorweggenommene Gewinnthesaurierung eröffnet Mezzanine-Kapital dem Unternehmen Wachstums- und Finanzierungsmöglichkeiten, die anders nicht wahrgenommen werden könnten. Denn Mezzanine-Kapital erhöht aufgrund seiner spezifischen Eigenschaften (z.B. lange Laufzeit, Nachrangklausel, Endfälligkeit, kein ordentliches Kündigungsrecht etc.) zumindest partiell das wirtschaftliche Eigenkapital und wirkt sich damit verbessernd auf die Bonitätseinschätzung der Banken aus. Darüber hinaus sind mit Mezzanine-Kapital keine Gesellschafterrechte verbunden.

Managementbuch.de:Wie lassen sich die Effekte einer Finanzierung durch Mezzanine-Kapital für das Rating der Banken beschreiben?

Eberhard Brezski: Mezzanine-Kapital wird, wie gesagt, in der Regel zumindest partiell zum wirtschaftlichen Eigenkapital gerechnet und erhöht damit die Eigenkapitalquote, die eine wesentliche Kennzahl im Bilanzrating darstellt. Die Auswirkungen sind dabei umso größer, je höher die Bestandteile des Mezzanine-Kapitals sind, die dem Eigenkapital zugerechnet werden können. Aber auch die Bestandteile, die dem Fremdkapital zugerechnet werden, können sich positiv im Rating auswirken. Denn dadurch wird die in vielen mittelständischen Unternehmen beobachtbare kurzfristige Finanzierungsstruktur in Richtung einer, im Rating gewünschten, fristenkongruenten Finanzierung verbessert. Insgesamt gesehen wird sich Mezzanine-Kapital im Rating also positiv auswirken – als Verbesserung im Bilanzrating oder als Stabilisierung einer guten Ratingnote innerhalb der weiteren Unternehmensentwicklung.

Managementbuch.de:Unter die Finanzierungsinstrumente des Sammelbegriffs Mezzanine fallen Genussscheine und Stille Beteiligungen ebenso wie Gesellschafterdarlehen. Wie sollte ein Unternehmer vorgehen, der sich möglichst unabhängig informieren möchte, welches Mezzanine- Instrument am besten zu seiner Firma passt?

Eberhard Brezski: Aus meiner Sicht ist dies weniger eine Frage des jeweiligen Instruments als vielmehr der konkreten Vertragsgestaltung. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus den mehr oder minder hohen Freiheitsgraden bei der Ausgestaltung der verschiedenen Instrumente. Im Hinblick auf das Informationsbedürfnis folgt hieraus, dass ein Unternehmer wie folgt vorgehen sollte: Zunächst sollte er seine Zielsetzungen in Bezug auf den Einsatz von Mezzanine- Kapital definieren. Auf dieser Basis sollte er – am besten gemeinsam mit seinem Steuerberater und/oder Wirtschaftsprüfer – eine Sollliste konzipieren, die ein Mezzanine-Produkt erfüllen sollte. Anschließend sollte er sich von den verschiedenen Anbietern die Musterverträge bzw. die Vertragsinhalte zukommen lassen und diese auswerten bzw. mit der Sollliste vergleichen.
Sofern, was in der Regel der Fall sein wird, diese Entscheidung von größerer Bedeutung für das Unternehmen ist, sollte die Geschäftsführung auch noch mit verschiedenen Anbietern sprechen. Leider gibt es hier keinen einfacheren Weg der Informationsbeschaffung und der Auswahl, dafür sind die Instrumente zu stark gestaltbar. Da auch der Mezzanine- Markt als solcher nicht sehr transparent ist, ist jedem Unternehmer zu einer solchen Vorgehensweise zu raten.

Managementbuch.de: Sie erklären die relative große Zurückhaltung vieler Unternehmen gegenüber Mezzanine- Kapital vor allem mit einem Informationsdefizit der Entscheider. Aber ist diese Zurückhaltung nicht auch Ausdruck einer bodenständigen Kaufmannstradition, die einem “bloß” wirtschaftlichen – und eben nicht materiellen – Eigenkapital skeptisch gegenüber steht?

Eberhard Brezski: Diese Skepsis konnte ich in der Praxis bislang nicht erkennen. Im Gegenteil. Gerade gegenüber Private Equity und Kapitalbeteiligungsgesellschaften hat der Mittelstand, wie viele Untersuchungen zeigen, eher Vorbehalte. Diese sind zwar im gehobeneren Mittelstand mittlerweile geringer geworden, doch ist im Mittelstand insgesamt nach wie vor eine erhebliche Zurückhaltung gegenüber der Zuführung von haftendem Eigenkapital durch neue Gesellschafter zu spüren. Diese resultiert aus dessen Charakteristika, wie z.B. der Verwässerung der Gesellschafteranteile, unternehmerischer Mitbestimmung oder dem Weiterverkauf von Gesellschafteranteilen an Dritte. Gerade im Hinblick auf solche nicht zuletzt psychologischen Aspekte fällt ein Vergleich aus der Sicht vieler Mittelständler eher zugunsten des Mezzanine-Kapitals aus. Die Vorbehalte gegenüber Mezzanine-Kapital resultieren oft auch daraus, dass – in Ermangelung genauerer Informationen – Mezzanine-Kapital und Private Equity gleichgesetzt werden. Die Ursachen der derzeit nach wie vor verhaltenen Nachfrage nach Mezzanine-Kapital sind also eher in einem Informationsdefizit der Unternehmer und – mitunter – ihrer Wirtschaftsprüfer und Steuerberater zu suchen.

Managementbuch.de: Die geringe Eigenkapitalquote ist, zumindest in Bezug auf eine mögliche Kreditvergabe, das zentrale Problem vieler Mittelständler. Ist das Mezzanine-Kapital eine mögliche Lösung dieses Problems oder unter Umständen nur ein Mittel zur Verschleierung eines grundsätzlichen Defizits?

Eberhard Brezski: Sicherlich hat es in Deutschland ein strukturelles, u.a. durch die seinerzeitige Steuergesetzgebung hervorgerufenes Problem bezüglich der Eigenkapitalbildung und damit der Eigenkapitalquote gegeben. Die jetzt vorhandenen Rahmenbedingungen für die Unternehmen (z.B. Steuergesetzgebung und Basel II) haben aber teilweise zu einem Umdenken führen. Gleichwohl wird es noch eine Weile dauern, bis sich die tradierten kreditorientierten Verhaltensweisen flächendeckend ändern.
Trotz dieses noch vorhandenen strukturellen Defizits ist Mezzanine- Kapital aber eine mögliche Lösung des vorhandenen Eigenkapitalproblems. Denn Mezzanine- Kapital ist seinem Charakter nach eine vorgezogene Gewinnthesaurierung, die den Unternehmen Investitionen gestattet, die sie ohne Mezzanine nicht hätte vornehmen können. Damit es aber dauerhaft eine Lösung ist, müssen die Unternehmen erkennen, dass Mezzanine- Kapital sie nicht aus der Verantwortung entlässt. Sie müssen auch mit Mezzanine-Kapital Gewinne thesaurieren und dürfen diese nicht ausschütten, da ansonsten spätestens nach dessen Rückzahlung – sofern diese ohne Thesaurierung überhaupt möglich ist – der positive Effekt verpufft.

Managementbuch.de: Mezzanine-Kapital ist ein Weg der Finanzierung, Private Equity ein anderer. Unter welchen Umständen ist Private Equity die bessere Wahl für ein Unternehmen?

Eberhard Brezski: Grundsätzlich gilt, dass Private Equity für Unternehmen in der Start Up-Phase und in einer Turn-Around-Situation das bessere Finanzierungsinstrument ist. Auch in Situationen, in denen der Finanzierungsbedarf noch nicht zu den erzielbaren Free Cash Flows kongruent ist bzw. die Investitionen relativ stark risikobehaftet sind, dürfte Private Equity oft die bessere Alternative sein.

Managementbuch.de: Welche langfristigen Konsequenzen ergeben sich aus mezzaninen und anderen Finanzierungsinstrumentenfür die strategische Ausrichtung von Banken in Bezug auf ihren Mittelstandskunden? Ist das Hausbankprinzip am Ende?

Eberhard Brezski: Das Hausbankprinzip ist sicherlich auf dem Rückzug und vielfach schon nicht mehr vorhanden. Der Trend geht eher zu einem Hauptbankenprinzip: Unternehmen arbeiten mit drei oder vier Banken zusammen, bei denen sie auch durchaus unterschiedliche Leistungen abrufen. Darüber hinaus lässt sich beobachten, dass die Banken verstärkt Produkte anbieten, bei denen sie nicht mit Eigenkapital zu hinterlegende Provisionseinnahmen erzielen und/oder bei denen sie lediglich als Vermittler zwischen Unternehmen und Kapitalmarkt auftreten. Damit geht auch ein Ausbau des Produktangebotes einher. Da werden vor allem kapitalmarktorientierte Produkte im Fokus stehen, die für Banken ein beschränktes Risiko darstellen. Insgesamt deuten all diese Entwicklungen darauf hin, dass das Hausbankenprinzip sich seinem Ende nähert und die Bank-Kunde-Beziehung oft nicht mehr so eng ist, wie sie es einmal war.

Managementbuch.de: Sie wagen die Prognose, dass das Mezzanine-Kapital eines Tages so selbstverständlich sein wird wie das Leasing. Vor welchen Gefahren müssen sich die Marktteilnehmer besonders hüten, damit diese Prognose Wirklichkeit wird?

Eberhard Brezski: Die Anbieter müssen (1) die Unternehmen und deren Berater über die Möglichkeiten informieren, (2) das Produktangebot ausbauen und (3) die Unternehmen sorgfältig auswählen. Letzteres ist besonders wichtig, da es noch keinen Track Record für dieses Produkt in Deutschland gibt. Kommt es irgendwann aufgrund einer nachlässigen Auswahl zu relativ vielen Insolvenzen bei Mezzaninenehmern, so wird dies zu einem Vertrauensverlust bei Anlegern und zu einem drastisch eingeschränkten Angebot führen. Die Nachfrager müssen sich (1) mit diesem Produkt und anderen systematisch auseinandersetzen, (2) die Bedeutung eines strategischen Finanzmanagements begreifen, (3) sich der Notwendigkeit der Rückzahlung immer bewusst sein und (4) ihrer unternehmerischen Verantwortung– sowohl in Bezug auf Bilanzierungsstruktur und Unternehmensentwicklung als auch im Hinblick auf die Kommunikation mit Dritten – umfassend nachkommen. Insbesondere die Informationspolitik der Unternehmen muss noch stärker als heute den neuen Erfordernissen angepasst werden, ansonsten werden sich kaum externe Investoren finden.

Dr. Eberhard Brezski ist Abteilungsdirektor der NORD LB, Hannover und lehrt an der FH Osnabrück Investition und Finanzierung. Sein Buch Mezzanine-Kapital für den Mittelstand ist 2006 erschienen.
Eberhard Brezski; Mezzanine-Kapital für den Mittelstand (Schäffer-Poeschel Verlag, kartoniert)

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