Zu Maos Tod 1976 war China eines der ärmsten Länder der Welt. 35 Jahre später blickt das Land stolz auf die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Eine rasante Entwicklung mit enormen Wachstumsschüben. Führende internationale Ökonomen sehen im “Erfolgsmodell China” den Motor, der die Weltwirtschaft aus dem Sumpf der Finanzkrisen und Absatzschwächen zieht. Andere Experten fürchten dagegen langfristig eine massive Schwächung der eigenen Exporte. Was stimmt?
Vorurteile und Mythen dieser Art werden im Buch “Chinas Kapitalismus” von Ronald Coase und Ning Wang kurzerhand durch Fakten und Analysen ersetzt. Chronologisch zeichnen die Autoren Chinas Weg vom kränkelnden Sozialismus zur Wirtschaftsmacht nach. Dabei widmen sie sich ausgiebig den politischen und sozialen Rahmenbedingungen, die diesen Aufstieg erst ermöglicht haben.
Chinesen lieben Handys und Internet
Sehr detailreich grenzt das Buch den “chinesischen Stil des Kapitalismus” von der Marktwirtschaft westlicher Industrienationen ab. China hat trotz oder wegen seiner Sonderstellung auf dem Weltmarkt herausragende Entwicklungsmöglichkeiten. Die Menschen im Reich der Mitte sind technikverliebt und die “weltgrößte Bevölkerung von Internet und Handy-Nutzern”. Der steigende Bedarf soll selbstverständlich mit Produkten aus dem eigenen Land gedeckt werden.
Freier Handel und überwachte Universitäten
Coase und Wang sind nicht ohne Bewunderung für diesen Aufstieg. Unkritisch bleiben sie deswegen aber nicht. Sie prangern die staatliche Kontrolle der Universitäten an, die eine freie, ideologisch unvoreingenommene Forschung verhindern und nennen das die “größte Schwachstelle der chinesischen Marktreform”. Und zeigen, wo es trotz der Lobeshymnen auf den Boom noch hinkt: beim Image der Unternehmen und dem Branding beispielsweise. Die chinesischen Top-Unternehmen sind bei Verbrauchern im Westen gänzlich unbekannt.
Wohin die Reise in zehn oder fünfzig Jahren führt, lässt das Buch offen, macht dafür aber deutlich, dass China seine Identität nicht für Dollar- und Renminbi-Erträge opfern wird, sondern dass “das kapitalistische China unweigerlich chinesisch bleiben wird”.
Roter Reiter-Fazit: “Chinas Kapitalismus” ist ein wichtiges Buch für alle, die die chinesische Vision einer modernen Volkswirtschaft verstehen wollen. Statt kühner Thesen und Prognosen liefern die Autoren solide recherchiertes Hintergrundwissen zum Wandel Chinas, der sich im Wirtschaftswachstum äußert, längst aber auch Politik und Gesellschaft erfasst.
Oliver Ibelshäuser, www.Roter-Reiter.de
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