Lügen, Filz und Korruption

20603473_20603473_xlNoch Jahre nach seinem Tod ist der ehemalige Ministerpräsident und Bundesminister Franz Josef Strauß für viele Bayern eine Identifikationsfigur, ein Baumeister der deutschen Nachkriegsdemokratie und ein charismatischer Landesvater, der mit seiner Erscheinung und seinen Reden die Massen begeistern konnte. Der Sockel, auf dem Strauß noch immer steht (nicht nur für CSU-Anhänger), wird von Wilhelm Schlötterer, der, kaum zu glauben, CSU Mitglied ist, mit einem lauten “Wumms” zerschlagen. In seinem Buch “Wahn und Willkür” rechnet er ab mit den dunklen Seiten von Strauß, die viele nicht kennen oder nicht wahrhaben wollen. Mit dessen politischen Intrigen und privaten Irrwegen.

Hobbys: Waffengeschäfte und Bordell

Akribisch weist Schlötterer nach, wie Strauß seine politische Macht missbraucht hat, “um sich persönlich zu bereichern”. Wie Strauß nicht nur einmal mit “gefährlichen Waffen- und Drogendealern” zusammenarbeitete, um Waffengeschäfte gegen jede rechtliche Grundlage und jede Moral durchzusetzen. Gerne auch mit den vermeintlichen Erzfeinden der kommunistischen Parteien. Strauß unterhielt zudem eine “enge Verbindung zum Apartheidregime, obwohl es längst ein UN-Embargo gab. Er “erklärte die geforderte “Abschaffung der Apartheid als unverantwortlich – das würde das Ende von Sicherheit und Ordnung bedeuten”. Und auf der menschlichen Ebene? Lässt Schlötterer auch kein gutes Haar an Strauß, der “mit gleichzeitig fünf verschiedenen Frauen intime Beziehungen unterhalten hat und ein notorischer Bordellgänger in München war.”

Blinde Justiz, falsche Gutachten im Fall Mollath

Der Schwenk von der Vergangenheit zur Gegenwart fällt Schlötterer in seinem überaus spannenden Buch nicht schwer. Das letzte, sehr ausführliche Kapitel widmet er dem Fall Mollath, der weiterhin die Schlagzeilen füllen wird. Denn, dass Mollath “durch einen brutalen Willkürakt in der Psychiatrie gefangen gehalten wird – allein wegen seines gefährlichen Wissens um Schwarzgeldverschiebungen”, daran lässt der Autor dank seines detaillierten Protokolls einer Willkür-Justiz (“vorsätzlich falsche Urteile”) keinen Zweifel. Schlötterer zeichnet sehr genau nach, wie Mollath über mangelhafte oder fehlende Gutachten (“Diagnose mit absurden Begründungen”), Falschaussagen und rechtsblinde Richter mundtot gemacht und abgeschoben wurde. Für den Autor ein Netz aus Intrigen und Lügen, das gesponnen wurde, um eine Reihe steinreicher Steuerhinterzieher und deren Unterstützer aus dem Banken- und Wirtschaftssektor zu schonen. Wenn das stimmt, ging die Rechnung bislang auf. Denn das Landgericht Regensburg räumte Ende Juli zwar juristische Fehler ein, lehnte ein Wiederaufnahmeverfahren jedoch ab. Fortsetzung folgt. Hoffentlich!

Roter Reiter-Fazit: Ein rigoroses, aufwühlendes und provokatives Buch, das sich so spannend liest wie ein Polit-Thriller von John Grisham. “Helden” gibt es hier aber nicht und auch ein “Happy End” ist sehr fraglich. Lesen sollten Sie das Wut-Buch dennoch, wenn Sie wissen wollen, wie Politik arbeitet, wenn sie sich unbeobachtet fühlt.

Oliver Ibelshäuser, www.Roter-Reiter.de

Wilhelm Schlötterer: “Wahn und Willkür”, Heyne 2013

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