Lütz schickt in seinem frech-fröhlichen Ratgeber “Lebenslust” gleich im ersten Satz vorneweg: “Dieses Buch ist eine Provokation”. Keine Übertreibung! Mit derben Worten rechnet Lütz mit Gesundheitsfanatikern und Fitness-Aposteln (“kuschelige Meinungssofties und humorlose Ölgötzen”) ab, die Sportlichkeit und makellose Körper als Lebensmaxime ausgeben. Für Lütz eine Ersatzreligion, “ein gefräßiger Tyrann, der die Menschen von morgens bis abends traktiert, bedroht, belehrt und mit rituellem Gesundheitsgeschwätz das eigenständige Denken einschläfert”. Muss man erst mal sacken lassen … Lütz gönnt Ihnen die Trainingspause und führt Sie stattdessen zu informativen aber geruhsamen Abstechern in die Philosophie, Psychologie und Religionsgeschichte. Angetrieben von der Frage, warum wir uns “die Seele aus dem Leib laufen, uns mit Diäten und Bodyshaping quälen und einen Großteil des sauer verdienten Geldes in ein aus allen Nähten platzendes Gesundheitssystem investieren”.
Spirituelle Antworten auf den Sport-Wahn
Die Antwort darauf liefert der Autor gleich hinterher. Weil der Weg zu einer “alternativen, ganzheitlichen Spiritualität” bisher verborgen war. Lütz räumt die Sicht-Barrieren weg. Er zeigt, wie Sie Sinn erfahren und Entspannung finden jenseits von Sportplätzen und Fitness-Studios: “Das Leben ganz intensiv in der Einzigartigkeit jedes Moments zu spüren. Das ist Lebenslust in höchster Form.” Und genau diese Lustspender wiederzuentdecken, ist eine reizvolle und natürlich individuelle Aufgabe. Vielleicht werden Sie in der 9. Sinfonie von Beethoven fündig (“Ewigkeit in einer Stunde erleben”) oder in der Kunst. Ganz sicher aber in der Liebe und dem Vertrauen zu wichtigen Menschen. Und zu Gott. Denn “Lust ist immer auch sinnlich. Und das Christentum ist sogar extrem sinnlich”.
Roter Reiter-Fazit: Wie Sie dieses Buch am besten lesen? Von vorne bis hinten und mit einem großen Stück Kuchen oder einem kalten Bier auf der Couch liegend. Nie haben Sie sich beim Nicht-Sport-Machen so wohl gefühlt wie unter der geistreichen Anleitung von Manfred Lütz.
Oliver Ibelshäuser, www.Roter-Reiter.de
Manfred Lütz: “Lebenslust”; Knaur 2013
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