Die Touchpoint Analyse (Teil 1): Ein Navigationssystem für den Markterfolg

anne-m-schueller_portrait-mit-hut - KopieTouchpoints sind Berührungspunkte zwischen Anbieter und Kunde. Selbst bei mittelgroßen Unternehmen kommen schnell mehr als einhundert solcher Touchpoints zusammen. Die Zahl an sich ist schon verwirrend genug. Viel entscheidender ist aber die Frage, auf welche Touchpoints man sich konzentrieren soll, welche sich neu kombinieren lassen, welche vernachlässigt werden können, welche gestrichen werden müssen und welche womöglich noch fehlen.

Im Rahmen einer Touchpoint-Analyse werden zunächst alle Online- und Offline-Kontaktpunkte chronologisch gelistet, die ein Kunde im Zuge eines Kaufprozesses beziehungsweise einer Nutzungsbeziehung hat – oder haben könnte. Dies wird aus der Perspektive des Kunden betrachtet. Dabei kann sich die Analyse auch auf einzelne Kundensegmente beziehungsweise Zielgruppen konzentrieren.

Die Touchpoints gruppieren: fünf Arten von Touchpoints

Die Analyse wird dann weiter verfeinern, indem man die Touchpoints vor, während und nach einem Kaufakt bündelt. Im englischen spricht man dabei von Pre-Sales, Sales und After-Sales. Diese Begriffe haben sich in international orientierten Unternehmen auch so etabliert. Doch pardon: Diese Begriffe sind von ‚gestern‘. Wird nämlich alles aus der Sicht des Kunden betrachtet, dann wird aus einem Verkauf ein Kauf und dementsprechend aus einem ‚Point of Sales‘ ein ‚Point of Purchase‘.

Und mehr noch: Eine neue Sorte von Touchpoints ist zunehmend kaufentscheidend und muss deshalb vorrangig betrachtet werden. Dies sind die von den Anbietern nur mittelbar steuerfähigen Touchpoints der Beeinflussung durch Dritte, die auf Mundpropaganda und Weiterempfehlungen basieren. Sie sind der Vorkaufphase vorgelagert und der Nachkaufphase nachgelagert.

Denn vor dem Kauf lässt sich ein Kunde immer öfter durch die Meinung Dritter beeinflussen. Und nach dem Kauf wird er selbst zum Beeinflusser. Am Anfang und am Ende eines jeden Kaufprozesses steht also zunehmend eine Empfehlung – sei sie positiver oder negativer Natur. Und all das findet heute in einer gemixten Offline-Online-Welt statt. So muss man sich nun um fünf Gruppen von Touchpoints kümmern:

  • Influencing Touchpoints: Phase der Informationssuche und des Gewahrwerdens
  • Pre-Purchase Touchpoints: Phase der Entscheidungsvorbereitung
  • Purchase Touchpoints: Phase der Entscheidung und des Kaufs
  • After-Purchase Touchpoints: Phase der Nutzung und des Wiederkaufs
  • Influencing Touchpoints: Phase der Beeinflussung Dritter

Touchpoints im Markenmanagement: payed, owned, earned

Die Markenartikelindustrie hat in diesem Zusammenhang eine etwas andere Einteilung gefunden. Dort spricht man von sogenannten

  • Paid Touchpoints,
  • Owned Touchpoints und
  • Earned Touchpoints.

Das sind solche, die ein Unternehmen sich teuer erkauft (Anzeigen usw.), solche, die es besitzt (Webseite usw.) und solche, die man sich durch gute Arbeit verdient (Bewertungen usw.). Auch hier muss sich der Fokus von den Payed zu den Earned Media/Touchpoints verschieben.

Denn die webbasierten O-Töne Dritter – Google nennt sie die „Zero Moments of Truth“ (ZMOT) – werden von anschaffungswilligen Kunden nicht nur zuerst angesteuert. Sie werden von den Suchmaschinen auch immer stärker favorisiert – und landen ganz vorne auf den Trefferlisten.

Der ‚Human Touch‘ ist oft kaufentscheidend

Je nach Unternehmensgröße und Branche kann das Gesamt der Touchpoints auch wie folgt unterteilt und gegliedert werden:

  • Human Touchpoints
  • Product Touchpoints

Wenn etwa BMW uns in seiner Werbung Freude verspricht, dann wollen wir Freude an jedem Touchpoint der Marke spüren: Beim Fahren des Produkts, beim Konsumieren der Werbung und natürlich auch da, wo wir BMW-Mitarbeiter treffen können: im Autohaus, in der Werkstatt, vor dem Werkstor – und auch im Internet. Damit aber wahre Freude schließlich nach außen dringt, muss sie zunächst im Innen (vor)gelebt werden – ein Aspekt, der vielfach vernachlässigt wird.

In vielen Branchen spielt der Human Touch die entscheidende Rolle. So kann es beispielsweise passieren, dass ein Kunde seiner Automarke treu verbunden bleibt, jedoch den angestammten Händler verlässt, weil sein langjähriger Betreuer in ein anderes Autohaus wechselt. Und weiter kann es passieren, dass die Loyalität, die der Verkäufer mühevoll aufgebaut hat, in wenigen Augenblicken durch einen miserablen Kundendienst vernichtet wird. Bereits das zweite Auto ‚verkaufen‘ also in Wirklichkeit die Service-Mitarbeiter.

Touchpoint Journey: die Reise des Kunden als Bild

Jede Kundenbeziehung erwächst aus einer zeitlichen Abfolge von Interaktionen, die sich von einem Punkt in der Vergangenheit in eine gemeinsame Zukunft bewegt. So hat sich die Methode des ‚Touchpoint Journey Mapping‘ als besonders hilfreich erwiesen. Dabei wird eine typische Kundenreise in Form einer Landkarte gezeichnet. Der Weg zu den einzelnen Touchpoints erscheint wie eine sich schlängelnde Linie von links nach rechts.

Das Sichtbarmachen einer solchen ‚Customer Touchpoint Journey‘ ist hilfreich, denn man kann damit viele Dinge tun: Es lassen sich die Kann- und Muss-Touchpoints herausarbeiten. Oder man legt die Reiserouten vieler Kunden übereinander, um so die Schlüssel-Touchpoints sichtbar zu machen. Oder man stellt die verschiedenen Reiserouten unterschiedlicher Kundengruppen dar.

Ferner können mögliche Wirkungszusammenhänge zwischen den einzelnen Kontaktpunkten erkannt wie auch Synergie- und Kannibalisierungseffekte aufgedeckt werden. Hat man die Interaktionsmöglichkeiten erst einmal in eine kundenlogische Abfolge gebracht, lässt sich deren Zusammenspiel in späteren Schritten optimieren und kundenfreundlicher gestalten.

 

 

#schueller_touchpoints (Page 1)Das Buch zum Thema

Anne M. Schüller: Touchpoints – Auf Tuchfühlung mit dem Kunden von heute, Gabal Verlag 

Die Autorin

Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, zehnfache Buch- und Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als Europas führende Expertin für Loyalitätsmarketing und ein kundenfokussiertes Management. Sie zählt zu den gefragtesten Referenten im deutschsprachigen Raum. Sie ist Gastdozentin an mehreren Hochschulen. Wenn es um das Thema Kunde geht, gehört sie zu den meistzitierten Experten. Zu ihrem Kundenkreis zählt die Elite der Wirtschaft. Weitere Informationen: www.anneschueller.de und www.touchpoint-management.de

 

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