Das HR-Urgestein Thomas Sattelberger legt eine gepfefferte (Personaler-) Biografie vor

klappeDass ein Personaler seine Memoiren schreibt, die dazu noch in einem renommierten Verlag veröffentlicht werden, ist etwas Besonderes. Aber Thomas Sattelberger ist schließlich auch was Besonderes. Auch drei Jahre nach seinem Abschied als Telekomvorstand Personal und dem Eintritt in den selbstverordneten „Unruhestand“ mit 63 mischt er noch gehörig mit. Und auf! Zumindest seit den 90er Jahren ist er in der Szene bekannt als Innovator, harter Hund und Frauenversteher. Klar, dass der Buchtitel „Ich halte nicht die Klappe“ Programm ist.

Hallo Jürgen Schrempp: dieses Buch bitte nicht lesen!

Spannend ist das Buch für alle, die sich für die Arbeitsweisen (das Hauen und Stechen) auf den Teppich-Etagen der großen Tanker interessieren – ein Bereich, aus dem sonst wenig nach außen dringt. Sattelberger bietet von Daimler, MTU, DASA über Lufthansa und Continental bis zur Telekom Einblicke durch die Brille des ehrgeizigen, aber auch unverbiegbaren Managers. Das Personal, das in diesem Buch seine Auftritte hat, ist zwangsläufig beachtlich. Der eine oder andere wünschte sich sicherlich, er wäre übergangen worden. Wie Jürgen Schrempp, von dem Sattelberger nur anfangs begeistert war („Böse Zungen behaupten, dass Teile der Personalfunktion viel Zeit darauf verwandten, nicht nur Schrempps Opfer zu verarzten, sondern auch seine Mätressen zu entsorgen“). Geradeaus, wie er ist, bereitete Sattelberger seinen Ausstieg vor und kündigte. Schrempps Antwort: „Du Arschloch, was erlaubst du dir!“

Thomas Sattelberger sitzt erst bei Martin Schleyer im Wohnzimmer und dann mit Gudrun Ensslin und Andreas Bader in einem Keller

Das Buch ist chronologisch aufgebaut. Von der Jugend in Munderkingen, der „revolutionären Phase“ als Nachfolger Joschka Fischers bei der Unabhängigen Schülergemeinschaft Stuttgart bis zu den Anfängen als Berufsakademiestudent bei Daimler – und dazwischen immer wieder bei den Kindern des später von der RAF ermordeten Hanns Martin Schleyer zum Schafkopfspielen und in Frankfurter Kellern bei Diskussionen mit Andreas Bader und Gudrun Ensslin – manchmal konnte man den Eindruck haben, den „Hundertjährigen, der aus dem Fenster stieg“ vor der Nase zu haben. Und irgendwie scheint es Sattelberger im Rückblick selbst ein bisschen zu verwundern, wieviel Zeitgeschichte stellenweise um ihn war.

Gilt auch für verdi: dieses Buch bitte nicht lesen!

Den größten Teil nehmen natürlich die Positionen bei den vier DAX-Unternehmen ein. Sattelberger bewegt sich dort immer zwischen den Polen der Innovation der betrieblichen Weiterbildung und knallharter Personalpolitik. So kann er sich die Gründung vieler Corporate Universitys auf die Fahnen schreiben und natürlich die Telekom-Frauenquote – er verschweigt aber auch nicht seine Rolle bei Werksschließungen bei der Continental und bei den harten Restrukturierungen bei der Telekom. Bei seinen Auseinandersetzungen als Telekom-Personalvorstand mit der Gewerkschaft verdi zeigt sich denn auch eine weitere Sattelberger-Qualität – die des Kämpfers – oder vielleicht sogar die Desjenigen, der zuweilen große Lust am Kämpfen hat (während sich sein Kontrahent die Nacht um Kleinigkeiten feilschend um die Ohren schlug, suchte Sattelberger sich sorgfältig die richtige Krawatte für die Pressekonferenz heraus und ging zeitig ins Bett – mit diesem Resultat). Und er gibt Verdi noch einen Denkzettel mit: Viel zu verstaubt sei der Laden, störrisch sich gegen alles Neue stellend, und einer Gesellschaft nachrennend, die es längst nicht mehr gibt. Kein pauschales Gewerkschaftsbashing, denn aufgrund seiner Erfahrungen bei Continental beschreibt der die IG BCE ganz anders als „fortschrittliche Sozialpartner“, mit denen er produktiv zusammenarbeitete.

Vom neuen Mittelstand und von pervertierten Organisationsgeschöpfen

Gegen Ende des Buches schwenkt Sattelberger dann um. Vom manchmal etwas weitschweifigen Erzählstil der Marke „was mir dazu noch einfällt“ zu präzisen Ausblicken auf die Zukunft der Wirtschaft. Hier entfaltet er knapp seine Vorstellung vom „Unternehmensbürger“. Hier beschreibt er die wesentlichen Megatrends, auf die Unternehmen sich einzustellen haben. Und hier analysiert er Unternehmenstypen wie den „Neuen Mittelstand“ und „pervertierte Organisationsgeschöpfe“ wie sie die Samwerbrüder in die Welt setzten. Elegant sein Plädoyer für demokratische Unternehmen: „Demokratie ist unter anderem die Antwort auf die Frage, „wer führt eigentlich wie lange?“ Schade, dass er diesen grundlegenden Gedanken nicht mehr Platz eingeräumt hat.

Fazit: Spannende Einblicke in die Headquarters einiger der ganz großen Schiffe in Deutschland. Und die Gewissheit, dass es überall menschelt. Darüber hinaus die erstaunliche Biografie eines Mannes, der die Unternehmen als Motor der gesellschaftlichen Entwicklungen sieht und sie in die Pflicht nehmen will. Trotz der stellenweise etwas ausufernden Passagen ein Buch, das neben fast einzigartigen wirtschaftshistorischen Details wichtige Denkanstöße für zeitgemäße Unternehmensführung liefert.

Wolfgang Hanfstein, www.Management-Journal.de

Thomas Sattelberger: Ich halte nicht die Klappe. Murmann Publishers 2015

>> Zu allen lieferbaren Ausgaben von „Ich halte nicht die Klappe“ auf Managementbuch.de

 

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