Die Zeiten der Einzelkämpfer in der Wirtschaft sind schon lange vorbei. Viele Projekte und Aufgaben in einem Unternehmen sind nur in einem Team zu lösen. Die Arbeitswelt im Zeitalter von Digitalisierung fördert in den Firmen neue Organisationsformen, in deren Rahmen Spezialisten temporär an einer gemeinsamen Fragestellung arbeiten. Doch leider „funktioniert“ aus Sicht einer Führungskraft nicht jedes Team. Und das hat dann nicht selten etwas mit den in einer Gruppe stattfindenden Prozessen zu tun – der Gruppendynamik.
Bündnisse und Antipathien
Wohl jeder von uns hat im Laufe seines Lebens unterschiedlichste Erfahrungen mit Gruppen, Teams oder Cliquen gemacht. Gemeinsam an etwas zu arbeiten oder zu unternehmen, kann eine wunderbare Erfahrung sein, oder wird auch als Hölle empfunden. Sobald mindestens drei Personen aufeinandertreffen, kommt die Gruppendynamik ins Spiel. Denn ab jetzt können sich wechselnde Koalitionen ergeben. Und sobald sich zwei Personen gut verstehen und „an einem Strang ziehen“, fühlt sich der Dritte als Außenseiter. Die Gruppendynamik zeigt sich, nicht nur in der Arbeitswelt, am besten, wenn es plötzlich heißt, dass das, was nun gerade gesagt wurde, „gar nicht hierher“ gehöre. Doch genau diese Prozesse zu kennen und auch zu nutzen, ist eine Notwendigkeit, wenn Gruppenarbeit gelingen soll.
Gruppendynamik kann nicht gesteuert werden
Der Autor Olaf Geramanis bringt es in Vorwort seines Buchs auf den Punkt: Gruppendynamik ist wie das Wetter – sie findet immer statt. Er möchte die Dynamik und deren Hintergründe verständlich machen. Denn wenn eine Führungskraft die Kraft der Gruppe nutzen möchte, dann müssen sich die Gruppenmitglieder aus eigenem Antrieb heraus engagieren. Und da ist das Paradox der Führungskraft. Denn „eigener Antrieb“ kann eben nicht gefordert werden. Aber es besteht die Möglichkeit, die Gruppe zu beeinflussen.
Solide Grundlagenlektüre
Dieses Werk ist kein typisches Rezeptbuch. Und spätestens am Ende der Lektüre ist auch deutlich, warum es das auch nicht sein kann. Viel zu komplex sind die Prozesse, die sich zwischen den Gruppenmitgliedern etwa durch Sympathie und Antipathie ergeben. Um die Selbstorganisation einer Gruppe, etwa durch „nichtdirektiv steuernde Interventionen“, beeinflussen zu können, muss der Zusammenhang zwischen Individuum und Gruppe erst verstanden werden. Und genau das schafft das kleine und klug geschriebene Handbuch. Dessen erster Teil beschäftigt sich intensiv und erschöpfend mit der Rolle des Individuums in der Gruppe. Und klärt über Restriktionen in einer Gruppe und deren Gleichgewichtsmodell auf. Außerdem geht der Autor der Frage nach, was eigentlich benötigt wird, um die Arbeitsfähigkeit einer Gruppe herzustellen. Die beiden weiteren Teile widmen sich dann detailreich den Gruppenprozessen und dem Verhalten einer Gruppe innerhalb von Organisationen.
Management-Journal-Fazit: Für erfolgreiche Gruppenarbeit gibt es keine einfachen Rezepte. Das Buch liefert aber die Zutaten, die dafür benötigt werden. Eine Führungskraft muss sich nur eben darauf einlassen und sich auch die Zeit nehmen, die in diesem Handbuch geschilderten Prozesse zu verstehen.
Stephan Lamprecht
Olaf Geramanis: Mini-Handbuch Gruppendynamik, Beltz, 2017
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