Zeit für neues Denken, das verborgene Kapital heben

Während diese Rezension entsteht, laufen die Gespräche über die Fusion zwischen RTL und dem Verlagshaus Gruner+Jahr. Ein Zusammenschluss, der von den Aktionären offenbar begrüßt wird, weil sich damit Kosten senken lassen. Ein typischer Reflex, wie ihn Ana-Christina Grohnert in ihrem Buch „Das verborgene Kapital“ beschreibt. Doch genau solche Reflexe und alten Denkmuster führen ihrer Ansicht nach nicht weiter. Sie ist überzeugt davon, dass Unternehmen die Wertschöpfung neu erfinden müssen, dazu zählt auch, nicht an Menschen als Belastung und reine Kostenfaktoren zu denken.

Warum alte Denkmuster nicht weiterführen

Natürlich werden Unternehmen auch in Zukunft auf Kosten achten müssen, die Gesetze der Betriebswirtschaftslehre lassen sich nicht über Nacht aushebeln. Das weiß auch Ana-Christina Grohnert, die eine erfahrene Managerin ist. Als Personalvorständin bei der Allianz und Personalstrategin bei EY hat sie ihre Fähigkeiten unter Beweis gestellt. Und gerade diese Erfahrungen verleihen ihren Ausführungen großes Gewicht. Hier schreibt jemand aus der direkten Praxis. Und legt die Schwächen in alten und (nicht verstandenen) neuen Denkmustern offen. Die Coronakrise hat gezeigt, dass die oft beschworene Resilienz in vielen Unternehmen nicht mehr als ein Lippenbekenntnis ohne wirkliche Folgen war. Nun ließe sich einwenden, dass ein globales Ereignis wie die Pandemie nicht vorhersehbar war. Allein: Wurde das nicht gerade in der Management-Literatur der vergangenen Jahre immer wieder beschworen? Die unvorhersehbare sich wandelnde Welt?

Von den aktuellen Herausforderungen zur Vision

Zur Einleitung in ihr Thema fasst die Autorin zunächst einmal die aktuellen Herausforderungen zusammen, denen sich alle Unternehmen derzeit stellen müssen. Dazu zählen die Vernetzung, Digitalisierung, der demografische Wandel, die Notwendigkeit, angesichts einer Klimakrise mehr Nachhaltigkeit zu erreichen und schließlich auch die Übernahme von sozialer Verantwortung.

Damit leitet sie zur Frage über, warum sich Unternehmen und Organisationen überhaupt verändern. Und hier greift sie kühn und klug die verschiedenen losen Enden zahlreicher Theorien und Thesen auf. Etwa den Ruf nach einem Wandel der Unternehmenskultur, die in Firmen bereits gemessen werden soll, obwohl sich im Kern eigentlich wenig verändert hat, oder das neue Buzzword des „Purpose“, den jedes Unternehmen haben sollte.

Grohnert bleibt aber nicht bei der Kritik stehen, obwohl sich die Lektüre bis zu diesem Punkt bereits gelohnt hätte, sondern gelangt damit zur Synthese. Sie führt noch einmal nachdrücklich die aus ihrer Sicht falschen und keinesfalls zeitgemäßen Denkmuster aus, darunter das permanente Schielen auf Maßnahmen zur Kostensenkung, um „Mehrwerte“ zu schaffen, falsche Anreizsysteme wie Boni und die Haltung, dass die Menschen, die das Unternehmen tragen, letztlich eine Belastung und Kostenfaktor sind.

Für sie ist die Zeit für ein neues Denken gekommen. Wie das gehen soll, führt sie im Hauptteil des Werkes aus. Hier bleibt sie aber nicht beim einzelnen Unternehmen stehen, sondern richtet ihren Blick auf die Wirtschaft Europa und der Welt hinaus. Lernen, Vertrauen, die Schaffung von Innovationen und ein „Green Deal“ bilden hier wichtige Bausteine. Das ist alles mehr als Sozialromantik. Für Ana-Christina Grohnert sind dies die Schlüssel für eine neue Wertschöpfung und prosperierende Unternehmen der Zukunft.

Management-Journal-Fazit: Ein Buch, das viele Leser wahrscheinlich in einem Rutsch verschlingen werden. Es ist klug, es bietet viele Antworten auf drängende Fragen unseres Wirtschaftslebens und es lässt einen nachdenklich und inspiriert zurück. Eine klare Leseempfehlung.

Stephan Lamprecht

Das verborgene Kapital

9.7

Lesbarkeit

10.0/10

Nutzwert

9.0/10

Anspruch

10.0/10

Pros

  • Blick in die Zukunft
  • Mutige Ideen
  • Plädoyer für nachhaltigen Wandel

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