Der Unsinn mit dem Sinn

Und plötzlich war sie da: Die Frage nach dem Sinn, dem „Purpose“, den Unternehmen beantworten müssen, um für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer interessant zu sein. Den „Purpose“ sollen Firmen auch aus eigenem Interesse brauchen, um nicht ziellos im Meer der Wirtschaft zu treiben. Ein Blick in die Fachliteratur der vergangenen Jahre bringt es überspitzt auf den Punkt: Ein Unternehmen ohne „Purpose“ taugt nichts. Und Mitarbeitende, denen er nicht vermittelt werden kann, werden auf die Dauer lustlos und krank. 

Starke Widerrede gegen den „Purpose“

Ingo Hamm ist Professor für Wirtschaftspsychologie, kennt Unternehmen aber nicht nur als Objekt seiner Studien, sondern hat als Berater für McKinsey Organisationen bei der Entwicklung von Strategien unterstützt. Und er hat eine klare Haltung zum „Purpose“. Die macht er bereits im Vorwort seines Buchs „Sinnlos glücklich“ sehr deutlich: „Sinn im Job ist keine sinnvolle Sinnerfüllung, sondern lediglich eine weitere quiekende Publicity-Sau, die grunzend durchs New-Work-Dorf getrieben wird.“

Das ist ziemlich deutlich. Und so geht es im ersten Teil von „Sinnlos glücklich“ auch erst darum, den Leserinnen und Lesern zu zeigen, dass der Kaiser „Purpose“ nackt ist. Nur traut sich niemand, das auch auszusprechen. Einen „Sinn“ zu postulieren, bringt allein gar nichts. Wir alle wissen, was sinnvoll wäre, um etwas gegen die Klimakatastrophe zu unternehmen. Jeder mit Übergewicht, weiß, dass es sinnvoll ist, eine Diät zu machen. Über den Sinn nachzudenken, hat keine unmittelbaren Auswirkungen, es zählt die Tat.

Ein befreiendes Buch

Nachdem er nun genüsslich den „Sinn“ in Unternehmen als reichlich sinnlose und zum Teil auch alberne Idee demaskierte, hätte sich Ingo Hamm zurücklehnen können. Es wäre ein gut zu lesender Essay über die Wirkung modischer Schlagwörter und Marketing in Beratungsunternehmen übrig geblieben. 

Nur hätte er alle Leserinnen und Leser allein gelassen, die ihm zustimmen konnten und seine Ausführungen als regelrechte Befreiung wahrnehmen dürften, weil es ihnen bisher nicht gelungen ist, den „Purpose“ in ihrem Unternehmen zu finden. 

Das eigene Leben und die Arbeit, die einen wesentlichen Teil darin einnimmt, als bedeutsam zu empfinden, sinnvolles tun, Flow und Glück zu empfinden: Darum geht es im zweiten Teil des Buchs. „Sinn ist immer nur der eigene Sinn“, schreibt Hamm. Und die Suche danach ist nicht einfach und manchmal beschwerlich – aber eben sinnvoll.

Management-Journal-Fazit: Ein mit viel Überzeugungskraft geschriebenes Buch, das alle mit großem Vergnügen lesen werden, die dem inflationären Gebrauch des „Purpose“ kritisch gegenüberstehen. Und auf der Suche nach mehr Sinn in ihrem (beruflichen) Leben sind. 

Stephan Lamprecht

Sinnlos glücklich

10

Lesbarkeit

10.0/10

Nutzwert

10.0/10

Anspruch

10.0/10

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